Neues aus der Wissenschaft

04.10.2021 | Mikrovaskularisation der Netzhaut und Zeit bis zur Konzeption

Da weltweit seit Jahren die weibliche Fertilität sinkt, beschäftigen sich viele Untersuchungen mit möglichen Ursachen. Eine davon ist die verlängerte Zeit bis zum Eintritt einer Schwangerschaft, die wiederum kausal z.B. mit der Prolongierung der Kinderwunsch-Alters, der Adipositas und systemischen Erkrankungen verknüpft ist. Resultierende chronische Entzündungsprozesse, der oxidative Stress, eine endotheliale Dysfunktion sowie eine gestörte uterine/ovarielle Perfusion könnten z.B. die Implantation beeinflussen.
Die Beurteilung der Mikrovaskularisation der Retina ist eine etablierte Methode nicht nur zur Untersuchung der Augen sondern auch systemischer Erkrankungen (Hypertonus, Diabetes). Veränderungen der retinalen Mikrovaskularisation sind unter anderem mit einer Adipositas, einer Hyperglykämie, psychosozialem Stress und einem Hypertonus assoziiert, die wiederum bekannte Risikofaktoren einer reduzierten weiblichen Fertilität darstellen. Aus diesem Wissen resultierte die Idee, sich mit der retinalen Mikrovaskularisation im Rahmen der weiblichen Fertilität zu befassen.
In einer prospektiven Studie wurden 652 Frauen chinesischer, malaysischer und indischer Abstammung (18-45 Jahre), die innerhalb der nächsten 12 Monate eine Schwangerschaft planten, von Februar 2015 – Oktober 2017 in die sogenannte Singapore PREconception Study of long-Term maternal and child Outcomes (S-PRESTO) eingeschlossen (Huang et al. Retinal microvasculature and time to pregnancy in a multi-ethnic pre-conception cohort in Singapore. Hum. Reprod. 2021; Sep 7: Online ahead of print). Die retinale Mikrovaskularisation wurde bei Studienbeginn standardisiert gemessen und die Teilnehmerinnen nach 6, 9 und 12 Monaten telefonisch kontaktiert. Die “time to pregnancy” (TTP) bezeichnete die Anzahl der Menstruationszyklen bis zum sonographischen Nachweis einer klinischen Schwangerschaft innerhalb eines Jahres. Bei Studienbeginn erfolgte eine Adjustierung z.B. nach dem BMI und dem Nüchtern-Blutzucker.
276 Frauen (42.3%) konzipierten innerhalb eines Jahres. Anomalien der retinalen Gefäßmorphologie waren dabei mit einer prolongierten TTP assoziiert, aus der aber nicht automatisch auf einen kausalen Zusammenhang geschlossen werden kann. Die Autoren vermuten nach den Daten, dass eine suboptimale Mikrozirkulation zu einer Reduktion der weiblichen Fertilität führen könnte. In weiteren Studien müsste geklärt werden, ob die Beurteilung der retinalen Mikrozirkulation (ergänzend zur sonographischen Untersuchung des inneren Genitale) für die Einschätzung der Ovarfunktion, der Fertilität und des Endometriums sinnvoll ist.

Prof. Dr. med. Frank Nawroth