Neues aus der Wissenschaft

01.02.2022 | Embryotransfer im Auftauzyklus und kindliches Geburtsgewicht

Die vergangenen Jahre zeigen in Deutschland und weltweit eine anhaltende Zunahme von Embryotransfers nach vorherigem Einfrieren (Kryokonservierung, FET = frozen embryo transfer) von befruchteten Eizellen und Embryonen, die zuvor durch eine künstliche Befruchtung gewonnenen wurden (siehe auch Deutsches IVF-Register®). Vorteile hierdurch sind eine Erhöhung der kumulativen (aus einem Stimulationszyklus durch mehrere Embryotransfers resultierenden) Schwangerschaftsrate, die Absenkung medizinischer Risiken durch die Behandlung (z.B. ovarielles Überstimulationssyndrom = OHSS) sowie die häufigere Übertragung von nur einem Embryo zur Senkung der Mehrlingsschwangerschaftsrate.

Eine aktuell publizierte Meta-Analyse (Rosalik et al. Effects of different frozen embryo transfer regimens on abnormalities of fetal weight: a systematic review and meta-analysis. Hum. Reprod. Update 2021; Dec 2: Online ahead of print) thematisiert den Zusammenhang zwischen der Verwendung unterschiedlicher Auftauzyklusprotokolle für den FET (mit hormoneller Behandlung für den Schleimhautaufbau = programmierte Zyklen versus natürliche oder modifizierte natürliche Zyklen mit Ovulation) mit dem kindlichen Geburtsgewicht. Es wurden 15 zu den Einschlusskriterien passende von 879 zu dem Thema publizierten Originalstudien in die Auswertung einbezogen. Bei den hormonell unterstützten im Vergleich zu den natürlichen FET lag das kindliche Geburtsgewicht signifikant höher (mittlerer Unterschied 47,38 g, p = 0,04). Es zeigte sich auch ein höheres Risiko für eine fetale Makrosomie (= Geburtsgewicht > 4000 g; OR 1,15; 95% Konfidenzintervall [KI] 1,06 – 1,26) und „Large-for gestational age“-Kindern (LGA, OR 1,10; 95% KI 1,02 – 1,19). Eine Subgruppenanalyse konnte für frühe Embryotransfers vor dem Blastozystenstadium (OR 1,27; 95% KI 1,00 – 1,62) wie auch für Blastozystentransfers (OR 1,13; 95% KI 1,06 – 1,21) erhöhte Risiken für LGA in den programmierten im Vergleich zu natürlichen FET zeigen. Eine Risikoerhöhung für die fetale Makrosomie zeigte sich jedoch in den programmierten Zyklen nur für die Embryotransfere mit frühen Teilungsstadien (OR 1,25; 95% KI 1,08 – 1,44) und nicht für Blastozysten (OR 1,52; 95% KI 0,86 – 2,67).

Die hier dargestellten Ergebnisse ermöglichen keine Beurteilung der kausalen Zusammenhänge, welche zu einem erhöhten kindlichen Geburtsgewicht und damit in Verbindung zu setzenden höheren geburtshilflichen Komplikationen wie auch Sectio-Raten im programmierten FET führen könnten. Hierzu werden zu dem Thema weitere auch randomisiert-kontrollierte Studien benötigt. Dennoch sollte diese Studie Anlass geben, das Transferzyklus-Protokoll bei dafür aufgrund der Zyklusanamnese geeigneten Patientinnen unter Berücksichtigung auch der organisatorischen Möglichkeiten des Kinderwunschzentrums individuell festzulegen.  

Prof. Dr. med. Barbara Sonntag