Invasive Diagnostik

Kleine Eingriffe – große Resultate

Als invasive Diagnostik bezeichnet man alle Eingriffe in der pränatalen Medizin, bei denen mit einer feinen Nadel über die Bauchdecke der Schwangeren Gewebe des Mutterkuchens oder Flüssigkeiten (Fruchtwasser oder Blut) des Fetus abpunktiert  werden.

Gemeinsam ist allen diesen Verfahren, dass es eingriffbedingt zu einem Verlust der Schwangerschaft kommen kann. Im Vergleich zu allen nicht-invasiven Verfahren hat man aber eine noch höhere Ergebnissicherheit auf die untersuchten Eigenschaften. D.h. wenn eine Punktion durchgeführt wird, um ein Downsyndom auszuschließen, kann dies auch wirklich ausgeschlossen werden.

Vor Einführung der Nackentransparenzmessung und Analyse der Laborparameter wurde sehr häufig vor allem bei Schwangeren über 35 Jahren punktiert. Nach Einführung  des Ersttrimester-Screenings und noch deutlicher nach Etablierung des NIPT sind die Eingriffszahlen deutlich zurückgegangen. Heutzutage werden solche Eingriffe viel gezielter durchgeführt.

Bei allgemein geringeren Eingriffszahlen ist es deswegen umso wichtiger, dass diese Punktionen in Zentren mit qualifizierten Ärzten durchgeführt werden, um eine niedrige Fehlgeburtsrate zu erreichen. Als Qualitätskriterium gilt es laut Literatur, wenn in einer Einrichtung mehr als 50 Amniozentesen und mehr als 150 Chorionzottenbiopsien (Mutterkuchenpunktionen) im Jahr durchgeführt werden.

Chorionzottenbiopsie

So früh wie möglich Sicherheit

Die Mutterkuchenpunktion oder Chorionzottenbiopsie dient der Gewinnung von Zellen, um eine Chromosomenanalyse sowie molekulargenetische oder biochemische Untersuchungen des Fetus durchzuführen. Sie kann ab der 12. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden – zu einer Zeit, zu der noch keine Fruchtwasserpunktion möglich ist – und stellt damit die früheste Möglichkeit einer genetischen Untersuchung dar.

Vor allem, wenn in der Schwangerschaft frühzeitig eine Chromosomenanalyse erfolgen soll, z. B. bei auffälligen Ultraschallbefunden im ersten Drittel der Schwangerschaft, bei auffälligem Ersttrimester-Screening oder bei bekannten familiären Erkrankungen, können wir mit der Chorionzottenbiopsie dem Wunsch der Eltern nach einer frühen Diagnostik entsprechen.

Ablauf

Nach einem ausführlichen Beratungsgespräch über die Durchführung sowie die Grenzen und Risiken der Untersuchung erfolgt eine detaillierte Ultraschalluntersuchung des Fetus. Unter Ultraschallkontrolle wird schließlich eine dünne Nadel durch die Bauchdecke in den Mutterkuchen vorgeschoben. Einzelne Zellen (Chorionzotten) werden in eine Spritze mit Kulturmedium hineingesogen. Die gewonnenen Zellen werden in einer Kultur angezüchtet und danach auf überzählige oder fehlende Chromosomen und Veränderungen der Chromosomenstruktur untersucht. Zusätzlich wird ein Schnelltest (STR-Test: Short tandem repeat) durchgeführt, der Ihnen die Wartezeit bis zum endgültigen Ergebnis erleichtert. Dadurch können die häufigsten zahlenmäßigen Chromosomenstörungen (Trisomie 13, 18 und 21) mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden. Um auch feine Strukturauffälligkeiten ausschließen zu können, wird jedoch die Langzeitkultur der Zellen benötigt, die nach ungefähr 14 Tagen vorliegt. Sie bietet die größtmögliche Aussagekraft.
Wenn besondere Erbkrankheiten in der Familie vorliegen, können zur frühzeitigen Diagnose dieser Krankheiten besondere molekulargenetische oder biochemische Analysen durchgeführt werden.

Der Eingriff ist in der Regel in weniger als einer Minute beendet. Nach der Punktion ruhen Sie sich ungefähr 30 Minuten bei uns in der Praxis aus. Danach führen wir eine Ultraschallkontrolle durch. Am Punktionstag sowie am Folgetag sollten Sie sich schonen und auf körperliche Arbeit (wie Sport oder schweres Heben oder Tragen) verzichten. Eine Kontrolluntersuchung bei Ihrer Frauenärztin oder Ihrem Frauenarzt sollte 1–2 Tage nach der Punktion erfolgen. Falls Sie nach der Punktion starke Schmerzen verspüren oder Flüssigkeit verlieren bzw. bluten, stellen Sie sich bitte unbedingt bei Ihrer Frauenärztin oder Ihrem Frauenarzt bzw. in einer Klinik vor.

Risiken

Bei der Mutterkuchenpunktion besteht ein niedriges Fehlgeburtsrisiko. Bei einer von 500 Punktionen kommt es zu Komplikationen, die zu einer Fehlgeburt führen. Aktuelle Daten zeigen, dass das Risiko abhängig ist von der Erfahrung der Untersucher. In unserem Zentrum für Pränatale Medizin werden diese Untersuchungen häufig durchgeführt.

Fruchtwasserpunktion

Zellgewinnung aus dem Fruchtwasser

Bei der Fruchtwasserpunktion werden im Fruchtwasser schwimmende kindliche Zellen entnommen und in einer Kultur angezüchtet. Durch die anschließende Untersuchung können zahlreiche Chromosomenstörungen mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden. Das Ergebnis der Chromosomenanalyse liegt nach etwa 14 Tagen vor. Üblicherweise wird die Fruchtwasserpunktion zwischen der 16. und 19. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Die Fruchtwasserpunktion kann jedoch auch zu jedem späteren Zeitpunkt der Schwangerschaft erfolgen.

Eine Punktion ist weniger dramatisch, als es den Anschein hat: Selbstverständlich werden Bauchdecke, Sonde und Punktionsnadel gründlich desinfiziert. Die Punktion selbst empfinden die meisten Frauen nur als leichtes Ziehen im Bauch. Der Eingriff dauert in der Regel weniger als eine Minute, und die entnommene Fruchtwassermenge bildet sich bereits in kurzer Zeit wieder nach.

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Ablauf

Zunächst sprechen wir mit Ihnen ausführlich über die Durchführung, die Grenzen und Risiken der Untersuchung. Dann erfolgt eine detaillierte Ultraschalluntersuchung des Fetus. Unter Ultraschallkontrolle wird eine dünne Nadel durch die Bauchdecke in die Fruchthöhe gestochen. Eine geringe Menge an Fruchtwasser (15 ml) wird dann in eine Spritze gesaugt. Neben den Chromosomen kann im Fruchtwasser die Konzentration des Alpha-Feto-Proteins bestimmt werden. Dieses Hormon ist bei Feten mit Defekten im Bereich des Rückens (Spina bifida) oder der Bauchwand erhöht.Auch bei Infektionen der Mutter kann eine Fruchtwasserpunktion erforderlich sein.

Zusätzlich wird ein Schnelltest (STR-Test: Short tandem repeat) durchgeführt, der Ihnen die Wartezeit bis zum endgültigen Ergebnis erleichtert. Dadurch können die häufigsten zahlenmäßigen Chromosomenstörungen (Trisomie 13, 18 und 21) mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden. Wenn in der Familie bekannte Erbkrankheiten vorliegen, können im Hinblick auf diese Erkrankungen besondere genetische Untersuchungen erfolgen.

Risiken

Bei der Fruchtwasserpunktion besteht das Risiko eines Blasensprunges oder einer Infektion der Fruchthöhle. Bei einer von 1000 Punktionen kommt es zu Komplikationen, die zu einer Fehlgeburt oder einer Frühgeburt führen. Die aktuelle Literatur zeigt, dass bei späteren Punktionen das Fehlgeburtsrisiko abnimmt.

Nabelschnurpunktion

Blutprobe noch vor der Geburt

Als Alternative zur Fruchtwasser- und Mutterkuchenpunktion ermöglicht die Nabelschnurpunktion eine schnelle Diagnostik der Chromosomen des Kindes, der Infektionsparameter, des Blutfarbstoffes Hämoglobin und weiterer Blutbestandteile, wenn genauere Untersuchungen zum Verlauf der Schwangerschaft vonnöten sind, oder das Kind wegen bestehender Erkrankungen behandelt werden muss. Sie wird üblicherweise erst ab der 17. Schwangerschaftswoche vorgenommen.

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Ablauf

Wie bei jedem anderen Eingriff auch, versuchen wir im Vorfeld, Ihnen in einem persönlichen Beratungsgespräch Ihre Bedenken zu nehmen. Aber natürlich nehmen wir Ihre Sorgen ernst und klären Sie offen über Möglichkeiten und Grenzen der Maßnahme auf!
Dass Sie nach dem Eingriff für ein bis zwei Tage auf anstrengende körperliche Tätigkeiten verzichten sollten, versteht sich von selbst.

Wie bei der Fruchtwasser- oder Mutterkuchenpunktion wird auch hier eine Nadel durch die Bauchdecke in die Fruchthöhle geschoben und dort die Nabelvene punktiert. Gründe für eine Nabelschnurpunktion sind vor allem der Verdacht auf eine Blutarmut des Kindes bei Blutunverträglichkeit (Rhesusfaktor) oder Infektionen wie z. B. der Ringelrötel-Infektion (Parvo B19). Außer zur reinen Diagnostik können über eine Nabelschnurpunktion auch Medikamente an das Ungeborene verabreicht werden, zum Beispiel im Falle einer Herzerkrankung. Ebenso sind bei Blutarmut Transfusionen über die Nabelschnur möglich.

Zusätzliche molekulargenetische Untersuchungsmethoden

im Rahmen der invasiven Diagnostik

Aus Fruchtwasser und Chorionzotten erfolgt klassisch die zytogenetische Aufarbeitung, d.h. fötale Zellen werden angezüchtet und unter dem Mikroskop analysiert. Dabei kann festgestellt werden, ob ein Chromosom oder ein Teil dessen fehlt oder überzählig ist. Dem ist aber Grenzen gesetzt im Rahmen der sog. Bandenauflösung der Untersuchung.

Darüber hinaus gibt es molekulargenetische Untersuchungen, die viel detaillierter sind.
Der sog. Mikroarray (oder Array-CGH) erlaubt es auch kleine Fehlverteilungen im gesamten Erbgut zu erkennen.
In der sog. Paneldiagnostik werden Gruppen von genetischen Veränderungen („Schreibfehler“ im Erbgut), die alle einer typischen Fehlbildung zugeordnet werden können, analysiert.

Whole Exome Sequencing ermöglicht die Untersuchung des Teiles des gesamten Erbgutes, das relevante Erbinformationen enthält.
Im Rahmen einer genetischen Beratung werden die möglichen Untersuchungen erläutert und die Ergebnisse ausführlich besprochen (siehe auch humangenetische Beratung).

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