Es ist weiterhin unklar, ob die assistierten reproduktionsmedizinischen Techniken (ART) oder ein im Zusammenhang mit der Infertilität der Paare stehendes Hintergrundrisiko ursächlich für die erhöhten peri- und neonatalen Risiken in den entstehenden Schwangerschaften sind (Berntsen et al. The health of children conceived by ART: 'the chicken or the egg?' Hum. Reprod. Update 2019; 25: 137-158).
In einer jetzt publizierten retrospektiven Studie aus Schweden wurde diese Frage erneut und mit einem neuen Ansatz untersucht (Goisis et al. Birth outcomes following assisted reproductive technology conception among same-sex lesbian couples vs natural conception and assisted reproductive technology conception among heterosexual couples. JAMA 2023; 329: 1117-1119).
Dabei wurden Schwangerschaftsverläufe und -ausgänge bei gleichgeschlechtlichen Paaren nach einer ART mit denen nach natürlicher Konzeption sowie von heterosexuellen Paare nach ART verglichen. In der Studie (Auswertung von Daten aus 2007-2018) konnten 868 Schwangerschaften von gleichgeschlechtlichen Paaren ohne die im eigentlichen Sinne bestehende Diagnose einer Infertilität mit 23.488 Schwangerschaften heterosexueller Paare verglichen werden. Als Kontrollen galten 456.898 im natürlichen Zyklus eingetretene Schwangerschaften. Alle Daten für die Studie wurden aus den nationalen Registern entnommen.
Vier Kriterien wurden verglichen: 1. Geburtsgewicht, 2. Untergewicht bei Geburt (< 2500 g), 3. Gestationsalter (SSW bei Entbindung), 4. Frühgeburt (< 37. SSW). Angewendet wurden geschätzte lineare Modelle, um gleichgeschlechtliche Paare als Referenzkategorie mit heterosexuellen Paaren und deren Schwangerschaften (nach ART bzw. im natürlichen Zyklus) zu vergleichen.
Interessanterweise wiesen Kinder heterosexueller Paare, die mittels einer ART konzipierten, ein signifikant geringeres Geburtsgewicht und Gestationsalter auf als Kinder gleichgeschlechtlicher Paare nach ART (p < 0,001). Frühgeburtlichkeit und Untergewicht bei Geburt traten bei den heterosexuellen Paaren nach ART häufiger als bei gleichgeschlechtlichen Paaren nach ART auf, wobei dieser Unterschied keine statistische Signifikanz erreichte.
Die Autoren schlussfolgern, dass gleichgeschlechtliche Paare im Rahmen einer ART ähnliche oder sogar unkompliziertere Schwangerschaftsverläufe und -Ausgänge zeigen als heterosexuelle Paare, die im natürlichen Zyklus konzipierten oder eine ART erhielten. Sie vermuten, dass diese Daten die bei heterosexuellen Paaren vorliegenden Hintergrundrisiken der Infertilität eher als Ursache für negative Schwangerschaftsverläufe und Ausgänge aufzeigen als die eigentliche ART. Die Ergebnisse sind sicherlich mit Vorsicht zu beurteilen, da keine speziellen Anamnese-Faktoren erhoben wurden. Zudem wurde eine relativ kleine Anzahl gleichgeschlechtlicher Paaren mit einer hohen Anzahl heterosexueller Paare bzw. natürlich konzipierten Schwangerschaften verglichen, so dass die statistische Aussagekraft limitiert ist. Dennoch ist der Ansatz interessant und weitere größere Studien mit diesem Kollektiv sinnvoll, um die oben genannte Fragestellung weiter aufzuklären.
Prof. Dr. med. Christoph Dorn