Die Arbeit aller MitarbeiterInnen im Team eines Kinderwunsch-Zentrums dient natürlich dem übergeordneten gemeinsamen Ziel, bestmöglich zum Erfolg einer Therapie beizutragen, der Geburt eines gesunden Kindes. Dabei wird beraten und aufgeklärt, über den Ablauf einer Diagnostik/Therapie und die Chancen für die Erfüllung des Kinderwunsches. Ein Punkt, der dabei mitunter zu kurz kommt, ist die Erwähnung der Grenzen unserer therapeutischen Möglichkeiten, die bereits primäre Thematisierung unseres am Ende möglicherweise erfolglosen Bemühens.
Zwei aktuelle Publikationen beschäftigen sich aber genau mit der Notwendigkeit, sich auch diesem unangenehmen Gesprächsinhalt frühzeitig zu stellen. Gameiro et al. beschreiben, dass bei uns Beratenden diesbezüglich eine Sorgfaltspflicht gegenüber unseren Patient*innen liegt, z.B. weil die erfolglose Therapie ein durchaus häufiges Ereignis darstellt, so dass auch auf dieses Scenario vorbereitet werden muss, weil die Therapie psychisch belastend ist und die Patient*innen insbesondere im Falles eines Misserfolges Unterstützung benötigen, der Weg zur Akzeptanz als sehr belastend empfunden wird (Gameiro et al. Fertility clinics have a duty of care towards patients who do not have children with treatment. Hum. Reprod. 2024; Jun 18: Online ahead of print).
Als ein Grund für die häufige Vermeidung dieses Themas wird beschrieben, dass die „Vorwarnung“ bezüglich einer möglicherweise nicht funktionierenden Behandlung die Hoffnung der Patient*innen beeinträchtigen und sie von der Therapie Abstand nehmen lassen könnte. Eine weitere Vermutung ist, dass Patient*innen daraus ableiten könnten, dass man einer nicht ausreichenden ärztlichen Kompetenz vorbeugen will. Ein weiterer Grund könnte die Tatsache sein, dass viele Kolleg*innen sich auf die geeignete Art der Kommunikation negativer Gesprächsinhalte nicht ausreichend vorbereitet fühlen.
Die Autoren geben viele interessante Tipps und empfehlen, z.B. in der Besprechung von Ergebnissen nicht nur zwischen „Erfolg“ und „Misserfolg“ zu unterscheiden, sondern beschreibend zu bleiben (z.B. „Der Zyklus führte nicht zu einer Schwangerschaft/Lebendgeburt; Die Behandlung endete ohne Kinder; Der Zyklus funktionierte nicht wie erwartet anstelle von: Der Zyklus ist fehlgeschlagen.“). Letztendlich bleibt die Aussage dieselbe, aber unsere Wortwahl kann in Nuancen sicher die Wahrnehmung beeinflussen. Als überaus wichtig wird die Besprechung und Auseinandersetzung mit einem „Plan B“ angesehen.
Kurioserweise nur einen Tag später erschien in einem ganz anderen Journal eine Arbeit ähnlichen Inhaltes (Hunkler & Widra. Expectant Management? How to communicate realistic outcomes and the possibility of failure. Fertil. Steril. 2024; Jun 19: Online ahead of print). Auch diese beschäftigt sich damit, dass Patient*innen zu übersteigerten Erwartungen an eine assistierte Reproduktion neigen und wir Ärzt*innen diese Erwartungen modulieren müssen, um die „therapeutische Beziehung“ zu fördern und einen abrupten Therapieabbruch zu verhindern.
Das alles ist herausfordernd und oft zeitaufwendig, aber ebenso notwendig wie die sicher einfachere Erklärung der Chancen einer erfolgreichen Kinderwunsch-Behandlung.
Prof. Dr. med. Frank Nawroth